Capoeira Berlin e.V.

Capoeira in Berlin

Was ist Capoeira ?


Capoeira ist eine Kampfkunst, die aus Brasilien kommt. Sie wird im Rhythmus praktiziert und besitzt ein ziemlich reiches Bewegungs­repertoire: Techniken die an asiatische Kampfkunste erinnern, Bewegungs­elemente aus afrikanischen Tänzen, atem­beraubende Akrobatik, aus der das verwandte Breakdancing eine beachtliche Menge geliehen hat. Die Capoeiristas bilden einen Kreis, die so genannte „Roda“, in der immer zwei Kontrahenten gegen einander treten und in der Regel spielerisch ein Duell austragen. Sie sind gleichzeitig Gegner und Partner, sie kämpfen und gleichzeitig bieten ein interessantes Spektakel an. Die Begleitmusik dazu wird von Teilnehmern des Kreises gespielt. Musiker und Spieler wechseln sich ab, so dass jeder Roda-Teilnehmer in den Genuss der Bewegung kommen kann.

Geschichte

Wo genau und wie Capoeira entstanden ist, lässt sich schwer rekonstruieren. Die ersten schriftlichen Belege über ihre Existenz sind Polizeiberichte aus dem 19. Jahrhundert. Dies zeugt von ihrer Unterdrückung und Verfolgung durch die Staatsgewalt. Dieser Mangel an schriftlichem Material lässt viel Raum für Spekulationen, unterschiedliche Auffassungen und mythologische Erzählungen.

Ihr afrikanischer Ursprung lässt sich jedoch nicht leugnen. Das rhythmische Element in ihr ist der sichere Beleg dafür. Der Rhythmus war der ständige Begleiter sämtlicher Alltagsaktivitäten der Afrikaner sowohl in der alten als auch in der neuen Welt (das rhythmische Mörsern der Körner, der rhythmische Gesang in den Baumwollfeldern Nordamerikas, der rhytmische Gesang der Puxada de Rede beim Ziehen der Fischernetze an der Küste Brasiliens). Kampfspiele hätten da keine Ausnahme bilden können. Die Sprache der Schlaginstrumente war die einzige gemeinsame Sprache der afrikanischen Sklaven im neuen Kontinent, da sie aus unterschiedlichen Nationen stammten.

Einige Forscher halten es aber für eher unwahrscheinlich, dass es eine „Urform“ der Capoeira gab, die aus Afrika kam. So wie sämtliche anderen künstlerischen Ausdrucksformen afrikanischer Herkunft in der neuen Welt (Jazz, Blues, Salsa, Calypso, Samba) ist Capoeira aus der Begegnung unterschiedlicher Kulturen entstanden, sowohl afrikanischer als auch indianischer und vielleicht auch zu einem kleinen Teil europäischer. Im Laufe der Zeit entwickelte sich eine Unterschicht in Brasilien, zu der nicht nur Nachkommen von afrikanischen Sklaven gehörten, sondern auch viele Mischlinge, wenige Weiße und sogar gelegentlich auch Ausländer (Bira Almeida erwähnt den Capoeirista „Grego das Ostras“ in seinem Buch "Capoeira - A Brazilian Art Form. History, Philosophy, and Practice"). Es waren hauptsächlich Menschen aus dieser Unterschicht, die Ende des 19. Jahrhunderts Capoeira praktizierten (s. Literatur, Prof. Dr Michael Zeuske, Bira Almeida). In ihrer damaligen und heutigen Form hätte Capoeira nie in Afrika entstehen und sich entwickeln können. Den fruchtbaren Boden dafür bot dagegen reichlich die neue Heimat Brasilien an.

Die Zeiten der Verwirrung...

Die Capoeristas galten als äußerst tapfer und wurden als Kämpfer befürchtet und respektiert. Als eine Quelle von Unordnung und Aufruhr waren sie meist das Ziel staatlicher Verfolgung. Andererseits wurden sie öfter von Politikern eingesetzt, um ihre politischen Gegner einzuschüchtern und in Kriegen wurden sie ebenfalls wegen ihrer Tapferkeit an vordersten Front geschickt, was von einer Doppelmoral der Obrigkeit zeugt. Während des 19. Jahrhunderts waren sie in Rio de Janeiro in Banden, die so genannten „Maltas“, organisiert. Dies hat dazu geführt, dass die Öffentlichkeit Capoeira mit Unwesen und Vagabundentum verband und ihren kulturellen Wert weitgehend missachtete. Durch harte Maßnahmen ist Anfang des 20. Jahrhunderts der Polizei sogar gelungen, das Phänomen Capoeira aus den Straßen von Salvador, der alten Hauptstadt Brasiliens, vollständig zu verbannen.

...und ihr Ende !

Mestre Bimba

Diesem Missstand hat der berühmte Mestre Bimba ein Ende gesetzt. Sein großes Charisma, seine starke Persönlichkeit, sein integerer Charakter und die Effizienz seiner Trainingsmethoden zogen zahlreiche Schüler an. Er hat die erste Capoeira Akademie gegründet und nach zahlreichen Auseinandersetzungen mit der Polizei und dem Staat wurde sie im Jahre 1937 offiziell anerkannt. Die Verbesserung des Ansehens von Capoeira ist hauptsächlich sein Verdienst. Mestre Bimba hat den Grundstock für die moderne Form der Capoeira gelegt. Er hat den Capoeira Unterricht durch Entwicklung von klar definierten Formen und Bewegungsabläufen systematisiert.

Neuzeit, Gegenwart und Zukunft

Zunehmend fand Capoeira die Beachtung der Politik. Eine nationale Anerkennung erfolgte 1953, als der ehemalige Diktator (1937-45) und 1950 demokratisch wieder gewählte Präsident Getúlio Vargas Mestre Bimba persönlich empfing und die Capoeira als "einzig wahren brasilianischen Sport" lobte. Seitdem gilt sie auch als der nationale brasilianische Kampfsport.

Eine kulturelle Begegnung und ein kultureller Austausch ist für alle Beteiligten immer eine Bereicherung und dies gilt auch im Fall von Capoeira. Sie ist von Anfang an eine integrative Form gewesen, die die unterschiedlichsten Bewegungselemente aufnimmt und vereint. Diesen Charakter hat sie auch bis heute bewahrt und unterliegt einer ständigen Entwicklung. Das versetzt selbst erfahrene Capoeiristas immer wieder in Staunen und Faszination. Ihre rasch fortschreitende weltweite Verbreitung wird erwartungsgemäß auch in Zukunft einige Überraschungen in diesem Zusammenhang mit sich bringen.

Literatur: Autoren und Bücher

Der Esoteriker

Piero Onori: "Sprechende Körper. Capoeira - ein afrobrasilianischer Kampftanz", Sankt Gallen, 1988 Das richtige Buch für Einsteiger. Der passendere Titel wäre „Capoeira for Dummies“. Sehr poetisch, mit einer hohen Dosis Esoterik und tolle Fotos des Mestre Americano.

Der Wissenschaftler

Tiago de Oliveira Pinto: "Capoeira, Samba, Candomblé. Afro-Brasilianische Musik im Recôncavo,Bahia", Dietrich Reimer, Berlin 1991 Ausschließlich wissenschaftlich. Minutiöse Aufzählung von Fakten und Einzelheiten, alles, was im Buch steht ist wissenschaftlich belegbar und fundiert. Keine gewagten Annahmen, keine Mythen. Ein optimales Buch für Diplom - Ethnologen.

Der Capoeirista

Dirk Hegmanns: "Capoeira - die Kultur des Widerstandes. Ein Lese- und Übungsbuch", Schmetterling Verlag, Stuttgart 1993 Hier haben wir es mit einem Capoeirista zu tun. Er versucht mit Erfolg die „goldene Mitte“ zu finden, Sage und Wissenschaft zu vereinen.

Capoeira unter der Lupe

Prof. Dr. Michael Zeuske: "Zur Geschichte der Capoeira - ein Diachroner Vergleich", Universität zu Köln, Sommersemester 2002 Ebenfalls sehr wissenschaftlich, er nimmt Capoeira wirklich unter die Luppe. Interessant für Capoeiristas, die wissen möchten, wie „die Außenwelt“ sie betrachtet.

Der Großmeister

Bira Almeida: "Capoeira - A Brazilian Art Form. History, Philosophy, and Practice", North Atlantic Books, Berkeley 1986 (2.Aufl., erw.) (Sun Wave, Palo Alto 1981) Hier spricht ein Großmeister höchstpersönlich. Mestre Acordeon (der Autor) ist einer der 12 Meister, die von Mestre Bimba als solche gekürt wurden. Interessante Materie mit Anekdoten und persönlichen Erlebnissen aus fast der Anfangszeit der modernen Capoeira. Unbedingt empfehlenswert.